Wie Sie sehen, sehen Sie nichts

Radtour mit Jürgen Constien zu sieben Absturzstellen ziviler und militärischer Flugzeuge auf Hürther Stadtgebiet
am 29. September 2018

An einem klaren, sonnigen Spätsommertag traf sich ein Grüppchen Interessierter am Tor des Burgparks Hermülheim, um die Suche nach Spuren vergangener Bauten und historischer Ereignisse fortzusetzen, die Herr Constien, ­ehrenamtlicher Mitarbeiter für Bodendenkmalpflege beim LVR und Denkmalpflege-Beauftragter in Hürth, am 7. Juli auf einer ersten Tour durch den Grüngürtel begonnen hatte.

Als Startpunkt diente die völlig eingeebnete Stelle des Vorgängerbaus der Severinuskirche – gelegen am heutigen Kriegerdenkmal vor den Toren des Burgparks. So zollte man dem Titel der Veranstaltung schon frühzeitig Tribut. Es ging dann zuerst zur Straße In den Höhnen, an die Querung des Duffesbachs: Auf dem damals unbebauten, aber schon von der Stromtrasse durchzogenen Gelände war im September 1944 ein amerikanischer Jagdflieger mit seiner USAF Thunderbolt P-47 niedergegangen. Der Pilot überlebte zwar, wurde jedoch – so die Legende – von der propagandatrunkenen Efferener Bevölkerung spontan verprügelt, bevor er sich in die Obhut der Wehrmacht retten konnte.

Nächster „Nichtbesichtigungsort“ war der Parkplatz des Strandbades am Otto-Maigler-See: An einer kaum mehr näher bestimmbaren Stelle im Bereich der Autobahn zwischen Gleuel und Bachem stürzte im April 1942 ein britischer Bomber vom Typ RAF/PAF Wellington mit polnischer (Exil-)Besatzung ab. Schlechtes Wetter hatte hier wohl den Ausschlag für einen Orientierungsverlust auf dem Weg zu Luftschlagzielen im Ruhrgebiet gegeben.

Auf der Westseite des heutigen Seerundwegs lag früher die Ortschaft (Alt-)Berrenrath.  Diese wurde im August 1941 Ziel des ersten Großangriffs der Royal Air Force Blenheim auf die Industriewerke Knapsacks. Nach einer vorübergehenden Einschränkung der Stromversorgung konnte die volle Leistung allerdings schon nach wenigen Tagen wieder aufgenommen werden.

Weiter ging es zu einem Standort mit Blick auf die renaturierte Berrenrather Börde. Im Juni 1962 führte in der damals riesigen Braunkohlegrube eine Kunstflugstaffel der Bundeswehr mit Starfightern die sogenannte Faßrolle vor, einen Salto mehrerer Maschinen gleichzeitig. Da aber der Leitpilot zu tief ansetzte, schlug das Manöver fehl, und die Flieger rasten in die anstehende Abbruchkante. Dies bedeutete das Ende der gerade erst eingerichteten Kunstflug-Sparte – am Fliegerhorst Nörvenich und in der Bundesrepublik Deutschland.

Auf dem nahe gelegenen Gelände des Chemieparks Knapsack versuchten sich die Teilnehmer der Radtour bei weiterhin schönstem Sonnenschein dann vorzustellen, wie im kalten Januar 1939 bei dichtem Nebel eine Propellermaschine der Air France auf dem Linienflug nach Berlin – kurz vor ihrer Zwischenlandung in Köln-Butzweilerhof – an einem der 12 Apostel genannten Knapsacker Schlote zerschellte. Diese hoch in den Himmel ragenden Schornsteine stellten im Regelfall geeignete Wegmarken für die Piloten dar, zumal man damals nicht mit Radar, sondern überwiegend auf Sicht flog. In dieser Situation indes wurden sie zur Schicksalsfalle der Aviateure. Auch von den 12 Aposteln ist heute keine Spur mehr zu sehen.

Vorletzter Standort der hochinteressanten Rundfahrt war die Trierer Straße, Alt-Hürth. Gleichfalls in dichtem Nebel kam es dort, am Hang des Hürther Berges, zur Notlandung eines Sabena-Hubschraubers, der im Linienverkehr zwischen Brüssel und Köln unterwegs war. Die Besatzung blieb diesmal glücklicherweise unverletzt.

Den Abschluß der lehrreichen dreistündigen Führung bildete der Friedhof in Alt-Hürth. Dort sind Einwohner bestattet, die im Zusammenhang mit dem letzten Großangriff auf Knapsack beim anglo-amerikanischen Bombardement der Wohngebiete ums Leben kamen. Doch auch abgestürzte Kampfpiloten der RAF Lancaster haben dort ihre letzte Ruhestätte gefunden.

Selbst ohne sichtbare Spuren offenbarte diese Tour mit Hilfe von Karten, Abbildungen und Zeitzeugenberichten sehr anschaulich, mit welchen Schwierigkeiten die zivile sowie die militärische Luftfahrt in ihrer Frühzeit im Raum Hürth zu kämpfen hatte. Der angesprochene Bombenterror rief bei einigen Teilnehmern Erinnerungen an eigene Erlebnisse wach.

Auf dem Feld der Forschung bieten sich hier noch viele spannende Ansatzpunkte; wir freuen uns auf weitere Touren mit Herrn Constien.

Text: Dr. Imogen Dittmann-Schöne